Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Arten werden ausgerottet, die Erdüberhitzung schreitet voran, die soziale Spaltung zwischen den Wenigen, die noch von der Ökonomie des Ausbeutens und Aussterben profitieren und den Vielen, deren Armut und Leid immer größer wird, wächst rasant. Gleichzeitig sind uns all diese Probleme bekannt.
Die politische Realität ist ernüchternd – es passiert zu wenig, zu langsam. Mit einem Gesellschaftsrat wollen wir der Krisenrealität angemessene Notfallmaßnahmen beschließen, die von uns Bürger:innen entwickelt, von der Gesellschaft getragen, von der Politik umgesetzt werden. Für schnelle, wirkungsvolle, demokratisch legitimierte und sozial gerechte Klimamaßnahmen.
Was ist eigentlich ein Gesellschaftsrat?
Der Gesellschaftsrat baut auf dem Instrument des Bürger:innenrates auf. Er setzt sich zusammen aus zufällig gelosten Menschen, die die Bevölkerung Deutschlands nach soziokulturellen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und Migrationshintergrund bestmöglich abbilden. Somit ist er ein Abbild der Gesellschaft, quasi ein “Deutschland in klein”.
Der Gesellschaftsrat erarbeitet in einem definierten Zeitraum klimapolitische Handlungsempfehlungen anhand einer vorher festgelegten konkreten Fragestellung. Dabei werden die Teilnehmenden von verschiedenen Expert:innen mit Fakten und Perspektiven zum Thema versorgt und können in ihren Beratungen auf weiter benötigte Fachexpertise zugreifen. Die Entwicklung der konkreten Maßnahmen findet in professionell moderierten Kleingruppen statt, der Prozess wird medial begleitet und transparent gemacht. Am Ende werden alle Maßnahmen in einem Gutachten zusammengeführt.
Bürger:innenräte wurden bereits zahlreich und auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt – mit qualitativ hochwertigen Ergebnissen. Oft verschwinden die Empfehlungen jedoch in der Schublade. Die Regierung soll den Gesellschaftsrat deshalb öffentlichkeitswirksam ausrufen. Der Gesellschaftsrat muss zudem eine große Öffentlichkeitsanbindung haben, sodass eine gesamtgesellschaftliche Debatte stattfinden kann. Nach dem Prozess sollen die Empfehlungen vom Parlament bearbeitet werden. Es muss schnellstmöglich Rückmeldung dazu geben, wie mit den Empfehlungen verfahren wird.
Bisherige Erfahrungen mit Bürger:innenräten in Deutschland und der Welt zeigen, dass sich Bürger:innenräte besonders dafür eignen, mit breiter Akzeptanz gemeinsam getragene Lösungsvorschläge für komplexe, dringende und umstrittene Probleme zu finden und tragfähige Handlungsempfehlungen zu entwickeln.
Die Klimakrise mit ihrem Ausmaß ist eine bis jetzt nicht gekannte Herausforderung – sie ist mit keiner vergangenen Krisensituation vergleichbar. Deshalb helfen alte Instrumente nicht weiter und müssen erweitert werden.
JETZT braucht es das Wagnis für neue Formen der gesellschaftlichen Entscheidungsfindung. Wir fordern daher die Einberufung eines Gesellschaftsrates.
Warum Gesellschaftsrat?
Wir wählen den Begriff Gesellschaftsrat, um zu verdeutlichen dass die gesamte Gesellschaft mit in den Prozess eingebunden werden soll. Es gab bereits viele Beispiele von Bürger:innenräten von denen aber kaum jemand etwas mitbekommen hat. Laut einer repräsentativen Umfrage der Universität Erfurt kannten den bundesweiten Bürgerrat Klima beispielsweise nur 9% der Deutschen. Nur 4% waren die Leitsätze und Empfehlungen bereits bekannt. Damit eine breite gesellschaftliche Debatte um die Empfehlungen eines Bürger:innenrates stattfinden kann, braucht es somit eine weitaus größere Anbindung des Prozesses an die Öffentlichkeit als bisher. Wenn der Rat einberufen wird, sollte das schon vor dem Auftakt in TV-Brennpunkten gezeigt werden und auf den Titelseiten der Zeitungen stehen. Nur so kann „der Autofan aus dem Ruhrgebiet auch sehen, dass in diesem Rat andere Autofans aus dem Ruhrgebiet sitzen werden.“ Zudem sollten die Expert:innen-Inputs im TV und Internet übertragen werden und für die ganze Bevölkerung frei zugänglich sein. Es soll für alle transparent sein, von wem und mit welchen Inhalten die Teilnehmenden am Gesellschaftsrat informiert werden. Denn darauf basiert die sich anschließende Erarbeitung der Maßnahmen.
Der Gesellschaftsrat ist im Wesentlichen ein Bürger:innenrat und unterscheidet sich darin,
- dass es weitaus mehr Öffentlichkeit um den gesamten Prozess geben muss als bei bisherigen Bürger:innenräten. Hierdurch soll eine gesamtgesellschaftliche Debatte um die Empfehlungen des Gesellschaftsrates ermöglicht werden. Auch im Nachhinein soll die Öffentlichkeit gut und breit informiert werden, wie mit den vom Gesellschaftsrat erarbeiteten Maßnahmen verfahren wird.
- dass die physikalischen Rahmenbedingungen hinsichtlich der wahrscheinlich größten Krise für die Menschheit, der Klimakrise, den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen Empfehlungen erarbeitet werden. Damit das Notwendige möglich wird, muss sich die Fragestellung des Gesellschaftsrates an diesen physikalischen Bedingungen orientieren. Wir schlagen daher vor, zusammenzukommen und zu beraten, wie wir ein Ende der Nutzung fossiler Rohstoffe bis 2030 sozial gerecht erreichen können.
- dass die Regierung die Notwendigkeit eines solchen Rates ausruft und klar, sowie öffentlich kommuniziert, was mit den Empfehlungen passiert.